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Digitale Transformation
Judith Tušek im Gespräch über Fachkräftemangel, Leadership und Gesprächskultur
Change Management ist schon lange kein alleiniges Instrument für Transformationsprojekte in Konzernen mehr. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen auf den Fachkräftemangel, auf technologischen Fortschritt und organisatorischen Wandel reagieren. Wie das mit Change Management gelingen kann, schildert Judith Tušek, Head of Center of Excellence Change and Transformation am Fraunhofer IEM, im Interview.
Was ist für Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels die grundlegende Herausforderung?
Judith Tušek: Wir bewegen uns in einem Arbeitnehmermarkt. Jeder potenzielle Mitarbeitende kann zwischen mehreren Unternehmen wählen – und sich für den Arbeitgeber entscheiden, der das beste Angebot macht. Auf diesen Markt trifft eine Generation, die andere Anforderungen an ihren Job stellt: . Aspekte wie z.B. hohe Flexibilität, Selbstverwirklichung, Vereinbarkeit und Agilität lösen die eher klassischen Faktoren wie Arbeitsplatzsicherheit oder Aufstiegsmöglichkeiten ab. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen und sich fragen: Wie können wir uns aufstellen, um diesen Wünschen entgegenzukommen? Hinzu kommt, dass wir in einer Welt des Wandels leben – weltpolitisch, organisatorisch und auch technologisch. Die Technologie, mit der gearbeitet wird, entwickelt sich so schnell weiter, dass sich auch die Skills der Mitarbeitenden kontinuierlich verändern müssen. Auch hierauf müssen Arbeitgeber reagieren.
Wie können Unternehmen bestmöglich auf diese Entwicklungen reagieren?
Judith Tušek:Change Management ist ein zentraler Weg, mit dem man die Veränderungen, die notwendig sind, gestalten kann. Und das auch in kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn es zum Beispiel darum geht, Mitarbeitende dazu zu befähigen, in ihren Fachkompetenzen flexibler zu werden, sich auf neue Arbeitsweisen oder Prozesse einzustellen, können individuelle Trainingsformate helfen. Über die Unternehmenskultur und die innerbetrieblichen Abläufe kann außerdem eine Fehlerkultur in Unternehmen etabliert werden. Die brauchen Betriebe schon allein deshalb, weil die technologischen Veränderungen so rasant vonstatten gehen. Der Mensch kann nicht fehlerfrei sein. Das muss sich im Mindset widerspiegeln: Ich darf mir eingestehen, Fehler machen zu dürfen und daraus zu lernen, vielleicht sogar Verbesserungspotenziale zu erkennen und diese Erfahrung zu teilen. Trainings helfen, das formal in den Arbeitsablauf zu integrieren. Eine Unternehmenskultur bietet das Umfeld, diese Denkweise zu etablieren. Und das ist auch in KMU machbar.
Welche Tipps haben Sie für eine möglichst reibungslose Umsetzung von Veränderungen?
Judith Tušek:Der einfachste Tipp bei Veränderungen ist Zuhören, eine Gesprächskultur schaffen. Zuhören ist insbesondere dann wichtig, wenn durch Veränderungen Ängste entstehen. Nicht jeder Mensch ist offen für Veränderung. Insbesondere da, wo verschiedene Generationen aufeinandertreffen, herrscht ein sehr unterschiedlicher Umgang mit Veränderungen: Viele Menschen verbinden mit Veränderungen Unsicherheit, manchmal auch Kritik an dem, was bisher gemacht wurde. Darum ist es wichtig, eine Gesprächskultur zu schaffen, durch die Ängste und Unsicherheiten wahrgenommen, Bisheriges wertgeschätzt und Vorschläge gehört werden. Diesen Raum müssen Unternehmen schaffen. Das ist gerade auch für KMU wichtig. Und aufgrund ihrer Größe und oftmals flacher Hierarchien haben kleinere Unternehmen gute Voraussetzungen: Sie können zum Beispiel offene Gesprächsrunden zu Veränderungsthemen, neuen Prozessen oder Technologien einführen – auch über verschiedene Hierarchieebenen hinweg. Das kann z.B. im Rahmen eines Unternehmens- oder Abteilungsfrühstücks geschehen, bei denen offen Fragen gestellt werden dürfen. Chaträume im Intranet sind eine Option. Oder – ganz klassisch – ein Briefkasten für Feedback aus der Belegschaft. Die Mitarbeitende aktiv in den Veränderungsprozess einzubinden, ihnen die Möglichkeit der aktiven Mitbestimmung zu geben, ist eine sehr gute Möglichkeit, um breite Akzeptanz zu schaffen. Und natürlich müssen gerade die Führungskräfte sich entsprechend aufstellen. Sie müssen sensibel sein für die Stimmung im Unternehmen, Rede und Antwort zu Neuerungen stehen und mit gutem Beispiel vorangehen.
Auch die Führung in Unternehmen ist damit ja zwangsläufig einem Wandel unterworfen…
Judith Tušek: Ja, Führung verändert sich gerade auch sehr. Es ist wichtig, immer kooperativer zu führen. Die Bedürfnisse der einzelnen Fachkräfte sind sehr heterogen. Und die Aufgabe von Führungskräften ist es, die unterschiedlichen Generationen, Erfahrungen und Kompetenzen in einem Team zusammenzubringen, dabei auf die Bedürfnisse des Einzelnen einzugehen und das Gesamtziel nicht aus den Augen zu verlierenDas ist eine große Herausforderung.
Wir wirkt sich das auf Führung aus?
Judith Tušek: Die Arbeitsweisen müssen sehr offen werden – auch in hierarchisch konservativen Unternehmen. Führungskräfte müssen zum Beispiel lernen, eher in Gesamtzusammenhängen und Ergebnissen zu denken, statt den Fokus nur auf die eigene Abteilung zu legen. Wie befähige und unterstütze ich einen Mitarbeitenden darin, möglichst eigenverantwortlich Ergebnisse zu erzielen, ist da eine zentrale Frage. Es braucht grundsätzlich ein anderes Verständnis, eine andere Herangehensweise von Führung. Das englische Wort Leadership macht das greifbarer, finde ich. Es geht darum, den Menschen zu fördern, zu motivieren und zu inspirieren, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Das ist weitaus mehr als die reine Verwaltung von Ressourcen. Und das hat auch nichts mehr damit zu tun Aufgaben zu definieren, zu kontrollieren und zu delegieren. Mentoring und Coaching sind da effektive Instrumente der Führungskräftebegleitung. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die Veränderung strategisch zu verankern und beispielsweise in die Unternehmensvision aufzunehmen.
Wie unterstützt das Mittelstand Digital-Zentrum Ruhr-OWL Unternehmen dabei?
Judith Tušek: Zum Beispiel begleiten wir Unternehmen mit unserem Programm Transformation Coach sehr engmaschig. Hierbei unterstützen wir Unternehmen bei der digitalen Strategieentwicklung und integrieren das Thema Change in die Gesamtstrategie. Und auch in unserem Weiterbildungsformat Digital Maker ist Change Management fest etabliert. Wir zeigen den Teilnehmenden unter anderem, wie man eine Organisation befähigen kann, sich zu transformieren.