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Blockchain im Mittelstand
Josef Kamphues erklärt im Interview, warum die Technologie auch für KMU interessant ist
Alte Anlagen mit neuen Sensoren ausstatten, um Mehrwerte aus Daten zu generieren. Mit Predictive Maintenance Stillstandszeiten in der Produktion reduzieren. Das papierlose Lager, um die Effizienz zu steigern und Fehler zu reduzieren: Auch immer mehr mittelständische Unternehmen erfassen, analysieren und nutzen Daten, um ihre Prozesse zu optimieren und ihre Produktion zu digitalisieren. Sollen Datensätze in einem nächsten Schritt manipulationssicher und verbindlich mit Kunden und anderen Akteuren in der Lieferkette ausgetauscht werden, bietet die Blockchain verlässliche Lösungsansätze. Josef Kamphues sieht in der Technologie viel Potenzial – auch für KMU. Im Interview erzählt der Leiter der Abteilung Supply Chain Development & Strategy am Fraunhofer IML, warum.
Wie kann die Blockchain auch mittelständischen Unternehmen helfen?
Einfach gesagt ist die Blockchain ein verteilter, nicht manipulierbarer Datenspeicher, mit dem Informationen ausgetauscht werden können. Insbesondere, wenn es um einen unternehmensübergreifenden Austausch geht, kann diese Technologie auch der richtige Ansatz für KMU sein. Zum Beispiel bei Prozessen, in denen eine hohe Verbindlichkeit für alle Partner von besonderer Relevanz ist – etwa im Bedarfs- und Kapazitätsmanagement. Oder wenn bestimmte Nachweispflichten eine zentrale Rolle spielen – Stichwort: Lieferkettengesetz. Grundsätzlich kann dieser Datenaustausch natürlich auch über konventionelle Datenbanksysteme oder die Cloud stattfinden. Sobald aber ein hohes Vertrauen in die Verifizierbarkeit der Daten gefragt ist, ist die Blockchain aufgrund ihrer Architektur und der Art und Weise der Datenverteilung das Mittel der Wahl.
Inwiefern nutzen KMU diese Technologie bereits?
Die Blockchain ist für viele kleine und mittlere Unternehmen noch nicht Teil ihrer Praxis. Auch, weil die Technologie in der Berichterstattung oft mit Kryptowährungen gleichgesetzt wird. Hier muss man aber wissen, dass wir in der industriellen Anwendung von solchen Anwendungsszenarien weit entfernt sind. Dennoch: die Technologie bringt einfach einige gedankliche Hürden mit sich. Außerdem legen viele KMU ihren Fokus zunächst auf die Digitalisierung ihrer Daten. Da scheint ein Datenaustausch via Blockchain sehr weit weg. Und das ist auch völlig in Ordnung. Die Blockchain ist kein „Allheilmittel“ und muss nicht sofort und für alles eingesetzt werden. Aber sie ist eine gute Ergänzung für bestimmte Prozesse und Geschäftsbeziehungen. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Blockchain ergänzend einzusetzen und perspektivisch auszubauen. Wichtig ist: Soll es einen blockchainbasierten Informationsaustausch geben, muss dieser von Anfang an unternehmensübergreifend und nicht isoliert gedacht werden. Bei einer Blockchain brauche ich Partner, die sich alle bereit erklären, diese auch technisch umzusetzen und zu nutzen.
Was sind mögliche Anwendungsfälle, bei denen die Blockchain heute oder in Zukunft eine Lösung sein kann?
Ein gutes Beispiel ist die dezentrale Fertigung. Hier laufen aktuell unterschiedliche Forschungsprojekte. Dabei geht es darum, freie Kapazitäten einer technischen Anlage anzubieten, um diese optimal auszulasten. Das kann zum Beispiel eine Fräsmaschine sein, aber auch ein 3D-Drucker. Wenn es gelingt, diese Anlagen mit der entsprechenden Intelligenz auszustatten, können Daten zu der erwartenden zukünftigen Auslastung errechnet werden. Freie Kapazitäten werden dann über eine Plattform angeboten. Und wer diese Kapazität braucht, weil er zum Beispiel über keinen 3D-Drucker verfügt, kann diese freien Zeiten dann buchen. Für eine erfolgreiche Abwicklung muss sicher sein, dass die Kapazitäten wirklich frei sind, der Auftrag auch wirklich abgewickelt wird und Bezahlprozesse sicher ablaufen. Wenn ich ein solches Geschäftsmodell über die Blockchain anbiete, ist die Verbindlichkeit und Transparenz deutlich höher.
Zudem kann man eine Blockchain auch zur Dokumentation nachhaltiger Prozesse nutzen. Wenn wir es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen, ist eine grundlegende Voraussetzung, Transparenz und Nachvollziehbarkeit in die Prozesse zu bringen. Und mit der Blockchain-Technologie lässt sich eben sehr gut nachweisen, welcher Zeitpunkt im Lebenszklus eines Produktes erreicht wurde. Oder unter welchen Bedingungen ein Produkt produziert und transportiert wurde. Wieviel Energie dafür genutzt wurde. Jedes Produkt bekommt einen Produktpass und kann entlang seines Entstehungsprozesse getrackt werden – von anfallenden CO2-Emmissionen bis hin zu den Arbeitsbedingungen. Hierzu eignen sich beispielsweise Zertifikate, die auf der Blockchain gespeichert werden können. In dieser Richtung gibt es viel Potenzial.
Wie arbeitet das Mittelstand-Digital Zentrum Ruhr-OWL mit Unternehmen zusammen, die über den Einsatz der Blockchain-Technologie nachdenken?
Wir schauen uns den jeweiligen Unternehmensprozess genau an. Wie ist der Prozess aufgebaut? Wer ist beteiligt? Welche Nutzenaspekte würde die Blockchain mit sich bringen? Und natürlich ganz entscheidend: Kann ich diesen Prozess blockchainbasiert sinnvoll abbilden? Und mit welchen Partnern? Denn der Aufbau eines Konsortiums ist der nächste Schritt, bei dem wir das Unternehmen begleiten. Wir haben im Mittelstand-Digital Zentrum den Schwerpunkt „Vernetzte Wertschöpfung“ und bringen unsere Expertise bei dem Aufbau einer solchen Partnerschaft ein. Anschließend geht es an die Fragen der technischen Ausgestaltung: Wird eine öffentliche oder private Blockchain genutzt, zum Beispiel. Steht fest, mit welcher Technologie gearbeitet werden soll, geht es an die Umsetzung und Pilotierung.